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Angekommen- vier Jahre Mallorca

Felanitx - der Anfang

Auf der Finca hatten wir ein schönes Leben. Trotzdem überlegten Helmut und ich, wie es uns gelingen könnte auch auf Mallorca Eigentum zu erwerben. Unser Haus in Deutschland war nun dauerhaft vermietet und die Einnahmen deckten sich mit der Abzahlung der Hypothek. Auf Mallorca verdienten wir beide regelmäßig. Die Gartenfirma von Helmut wuchs langsam aber sicher und er hatte inzwischen einen Kompagnion und zwei Mitarbeiter.

Ich arbeitete immer noch für die betreuten Seniorenreisen. Da es für die meisten älteren Menschen zu heiß war, hatte ich praktischerweise im  Sommer frei. Bei drei Monaten Schulferien eine gute Sache.  Zwischendurch jobbte ich aushilfsweise in einem Immobilienbüro in Porto Petro.

Es waren die Jahre als viele reiche Deutsche -meist aus Großstädten wie München, Hamburg, Köln- auf die Insel strömten um sich eine Finca zu kaufen. Da waren dann auf der einen Seite diese Deutschen, die mit verzückter Miene herumliefen und allen lauthals verkündeten "Mein Gott ist DAS BILLIG hier", auf der anderen Seite die mallorquinischen Verkäufer, die auch nicht doof waren, wenn sie so etwas hörten.  Fast täglich suchten sie das Büro auf oder riefen an und verlangten den Preis für ihr Grundstück oder die Finca um zwei, drei oder sogar vier Millionen Peseten* zu erhöhen. Ihr Stück Land sei schließlich viel besser, größer, schöner als das von Pep oder Miguel oder Toni.

Das witzigste Erlebnis in dieser Hinsicht hatten wir, als wir beim Spazierengehen eine Finca zum Verkauf angeboten sahen. Ein kleines Häuschen mit adrettem Garten und etwas Land herum. Die Gegend Binifarda auf dem Weg zum Santueri gefiel uns ausnehmend gut, und sie war in Sichtweite zu Felanitx. Wieder zuhause rief ich die angegebene Telefonnummer an. Ich fragte die Besitzerin einiges zum Haus, Landgröße und schließlich nach dem Preis. "60 Millionen Peseten" also etwa 700.000DM war die Antwort. Auf meinen erstaunten Einwurf, das dass aber sehr teuer sei, bekam ich zur Antwort, dass sie drei Geschwister wären, und jeder wollte 20 Millionen. Ich erwiederte nur, dass die zukünftigen Käufer ja dann richtig Glück hätten, das sie keine fünf oder sechs Geschwister seien.

Der damals übliche Preis für eine Finca dieser Art lag bei etwa der Hälfte. Vielleicht war das für deutsche Städter nicht viel, aber zum einen lag das damalige Durchschnittseinkommen der Mallorquiner bei etwa 1200,- DM, zum anderen war die Bauqualität höchstens mit deutschen Nachkriegsniveau zu vergleichen.

Auf jeden Fall kam für uns preislich schon mal keine Finca in Frage. Auch wollten wir mit unseren heranwachsenden Töchtern lieber in der Stadt wohnen. Sie sollten überall zu Fuß hin können, und wir hatten keine Lust am Nachmittag fahrende Eltern zu sein. Campos gefiel uns damals überhaupt nicht und kam uns wie ein etwas größeres Dorf vor, Santanyi war uns  zu herausgeputzt und zu teuer. Um in der vertrauten Umgebung zu bleiben entschieden wir uns für Felanitx, dass Ende der 1990er Jahre gerade "im Kommen" war.

Blieb noch die Finanzierung. Da hatten wir die zündende Idee, wie wir ohne Eigenkapital Geld für den Hauskauf bekommen.

Unser Fachwerkhäuschen in Witzenhausen war so gut wie abbezahlt und wir dachten, dass wir es sicher beleihen könnten, den Rest würden wir über eine spanische Bank bekommen.

Damals fing gerade die Zeit an, als die Banken fast jedem einen Kredit gaben. Oft wurden 100% und mehr verliehen, so das selbst die Einrichtung für die erworbene Wohnung oder das Haus auf Pump gekauft wurde. Ein riskantes System, da die meisten Arbeitsplätze auf den Balearen im Tourismussektor liegen, ein Saisongeschäft mit oft ungelernten Arbeitskräften. Es ging ein paar Jahre gut, alle wurden immer übermütiger und risikofreudiger, vorallem die Banken wurden gierig da sie sich sicher waren auf jeden Fall ihr Geld zu bekommen.

Anders als in Deutschland gab es keine Zinsbindung. Man handelte mit der Bank einen Zinssatz einige Prozent über dem Leitzins aus und das wurde jedes Jahr angepasst. Wie die Sache 2008/2009 ausging ist allgemein bekannt, und hat die Inseln für viele Jahre stark zurück geworfen und einige Gesetzesänderungen hervorgebracht.

Aber wir schrieben das Jahr 1999 und da war die Welt noch in Ordnung. Mein Bruder und seine Fau hatten kurz zuvor ein Haus in Porto Colom erworben, und so ging ich mit meiner Schwägerin zu ihrer Hausbank. Sie erklärte dem Direktor, was wir wollten. Der nickte freundlich und sagte, wir sollten mal unsere Verdienstbescheinigungen mitbringen, und dann sehe er weiter. Helmut bescheinigte sich als Selbständiger 2500,-DM. Mein Chef fragte mich, was er für einen Betrag er einsetzen sollte, und so hatten wir zusammen schnell 4500,-DM monatliches Einkommen. Damit war eine Hürde genommen, hier würden wir auf jeden Fall Geld leihen können.

Mit unseren finanziellen Vorstellungen im Kopf machten wir uns auf die Suche nach einem Immobilienhändler in Felanitx. Etwa 80-90.000 € wollten wir ausgeben, ein damals durchaus realistischer Preis. Wir bekamen auch ein dutzend Häuser in dieser Kategorie gezeigt, alle im Stadtkern von Felanitx. Schon nach der Hälfte waren wir allerdings ziemlich desillusioniert.

Wir lebten zwar auf einer Finca ohne Strom, mit Wasser aus dem Brunnen, aber die Häuser die wir sahen unterboten diesen Standart noch um einiges. Plumpsklo im Innenhof, keine Wasser oder Abwasserleitungen im Haus, sondern einen Brunnen in der Küche, Strom über kleine Käbelchen aus 125 Voltleitungen. Bei manchen Häusern durften wir nicht in die 2. Etage weil sie einsturzgefährdet war. Kaum vorstellbar für uns, dass dort ein paar Jahre zuvor noch  Familien gewohnt haben.

Ebenfalls nicht vorstellbar für uns, so etwas zu kaufen. Ein "Baugrundstück" mit Abrisskosten. Selbst auf die etwas besseren Häuser hatten wir keine Lust, weil es jahrelange Renovierungen bedeutet hätte. Entmutigt und entäuscht beschlossen wir dann eher Mieter zu bleiben, als uns so ein Projekt anzutun.

Einige Wochen später versuchte ich es aber doch noch einmal in einem anderen Immobilienbüro am Hauptplatz in Felanitx. Der Berater erklärte, er hätte etwas im Angebot, aber es sei teurer als wir es geplant hatten. Gucken kostet nichts, und so gingen wir alle vier am nachmittag mit ihm zum Haus.

Das war es. Dieses oder keins war der erste Gedanke den wir hatten. Ein großes Stadthaus über 3 Etagen  mit kleinem Innenhof, Terrassen und einer großen Garage mit einer weiteren Etage zur anderen Strassenseite. Durch Treppen und Höhenunterschiede wirkte der Innenhof sehr verwinkelt und trotz der recht kleinen Fläche verliefen wir uns ein bißchen. Das beste aber war, dass wir sofort hätten einziehen können, weil das Gebäude nicht renovierungsbedürftig war.

Unsere damals siebenjährigen Töchter fanden das Haus sofort toll und suchten sich gleich bei dieser ersten Besichtigung ihre Zimmer aus. Als sie uns anboten, uns ihr gesamtes Taschengeld von je 700,- Pts zu überlassen um den höheren Kaufpreis zu finanzieren, überlegten wir nicht lange und stimmten gemeinsam dem Abenteuer zu.

 

*Wechselkurs: 100 Pts  =  1,17548 DM/1 DM  =  85,0718 Pts

 

 

So ging es weiter

Das Haus hatten wir gefunden, die spanische Bank würde uns eine Hypothek geben, fehlte nur die restliche Summe, die wir in Deutschland finanzieren wollten.

Mit der Gewissheit alles schnell regeln zu können, flog ich nach Deutschland um mit unserer Bank zu verhandeln. Das Haus in Witzenhausen hatten wir uns als Studenten gekauft. Die Kleinstadt liegt im ehemaligen Zonenrandgebiet. Im Umland waren die Kaufpreise nach der Wende mit 20 bis 40.000 DM sehr niedrig. Dafür waren einige Häuser so stark renovierungsbedürftig, das wir lieber die Finger davon ließen. Das Haus das wir schließlich kauften war in allem ideal für uns. Fast die Hälfte vom Preis hatten wir durch eine kleine Erbschaft und gespartes Geld zusammen. Damals haben wir einige Banken angerufen und wenn wir unser Anliegen erklärten, gingen die zuständigen Mitarbeiter schon am Telefon mit dem Zinssatz herunter. Wir entschieden uns für eine Bank im Ort, auch damit wir nicht jedesmal nach Kassel oder Göttingen fahren mussten um notwendige Dinge zu regeln.

Als ich mich knapp sieben Jahre später auf den Weg zu meinem Banktermin machte, glaubte ich, dass es diesmal genauso problemlos verlaufen würde. Schnell wurde ich eines besseren belehrt. Ohne Verdienstbescheinigung aus Deutschland würde ich gar nicht bis zur Kreditabteilung vorgelassen.

Die Zeiten hatten sich geändert. Egal bei welchem Institut ich nachfragte, die Banken hatten alle genug Häuser im Angebot die sie nicht los wurden, und deshalb bot unser fast abgezahltes Haus keine Sicherheit. Ein Haus in Spanien und dann noch auf Mallorca zu finanzieren war zu ungewiss. Noch fehlte die Erfahrung dafür Kredite zu genehmigen. Damit hatten wir nicht gerechnet. Ratlos flog ich wieder zurück. Es dauerte noch ein Jahr, bis wir doch eine Möglichkeit fanden. Die Bausparkasse bei der ich in der Vergangenheit schon einige Verträge abgeschlossen hatte, war bereit, die gewünschte Summe vorzustrecken. Die Raten wurden nach wie vor über die Mieteinnahmen gedeckt.

Erleichtert gingen wir zum Immobilienhändler dem wir in dem Jahr immer wieder versicherten, dass wir den Kaufpreis aufbringen könnten.

Das Haus stand immer noch zum Verkauf-wir hatten das Risiko auf uns genommen keine Anzahlung zu leisten- sollte aber statt 20 plötzlich 22 Millionen Peseten kosten.

Ich war fast bereit, den Mehrbetrag zu zahlen, damit wir das Haus endlich kaufen konnten. Nicht so Helmut. In seinem rudimentären Spanisch gab er dem Immobilienhändler zu verstehen, daß er ihm genau 15 Minuten Zeit gäbe, mit dem Verkäufer den ursrünglichen Preis zu vereinbaren, ansonsten würden wir uns woanders umgucken.

Das war natürlich genauso geblufft wie es die Einheimischen gerne mach(t)en: Sobald man Interesse an etwas zeigt, ist der erste Satz den man zu hören bekommt, das man sich mit der Entscheidung beeilen müsste weil sonst der andere Interessent den Zuschlag bekäme. Aber es funktionierte und ein echtes oder fingiertes Telefongespräch später lag der Kaufpreis wieder bei 20 Millionen Peseten.

Jetzt konnten wir endlich die nächsten Schritte einleiten und die Termine beim Notar und bei der Bank machen.

 

 

Wohnen im neuen Haus

Die ersten Wochen kamen uns vor wie in einem Hotel. Lichtschalter die wir ein-und ausschalten konnten, und es wurde hell, zwei Badezimmer im Haus, genügend Strom für die Waschmaschine und eine Spülmaschine. Das die Sicherung immer raussprang, sobald wir den Backofen anmachten, störte uns wenig. Wir hatten in den Jahren davor kaum einmal etwas im Ofen zubereitet.

Wir hatten uns auf der zweiten Finca schon einige Möbel die wir auf dem Dachboden in Witzenhausen gelagert hatten bringen lassen. Nur was durch Neukauf preiswerter war als ein Transport haben wir gekauft. Nun kamen noch ein paar Dinge dazu. Vorallem wollten wir unseren geliebten Holzofen haben. Er gehörte fast wie ein Familienmitglied zu uns.

In Witzenhausen heizten wir mit (asbestfreien) Nachtstromspeicheröfen, deren Wärme wir durch einen Holzofen optimieren wollten. Wir haben uns eine Menge der Öfen die es in Baumärkten gab und die unseren Preisvorstellungen entsprachen angeschaut, ohne das wir uns entschliessen konnten,welchen wir nehmen. Einen Nachmittag fuhr ich noch einmal alleine in ein Geschäft, weil Helmut meinte der Ofen von da sehe ganz passabel aus. Mir gefiel er überhaupt nicht, aber daneben stand ein wunderschöner Ofen mit großer Glastür. Wieder zuhause angekommen erzählte ich, das mir der andere Ofen so gut gefallen hätte, aber er wäre fast ein drittel teurer als geplant. Genau diesen fand auch Helmut wunderschön, hatte ihn aber wegen des Preises nicht erwähnt. Mit dem Wissen, das wir bei jedem anderen immer daran gedacht hätten, das es den idealen Ofen gab, entschlossen wir uns, die Mehrkosten aufzubringen. Und noch fast 30 Jahre später freuen wir uns jeden Winter über das wärmende Feuer und die lodernden Flammen.

 

Unser Haus in Felanitx ist etwa 22m lang und 5m breit. Es ist ein Stadthaus wie viele; schmal, hoch, und eben sehr lang. Wir wohnen mittendrin in der Stadt, in der Strasse. Rechts Haus, links Haus, vorne eine schmale Einbahnstrasse mit einer Häuserzeile und schließlich nach hinten raus die große Garage mit einer aufgesetzten Etage und sogar einem Keller. Das ist bei den alten Häusern eine Seltenheit. Eine Isolierung nach unten auch, wie wir bald feststellten. Die Sandsteinmauern wurden ohne Fundament auf den Boden gebaut. Auf die Erde kam dann eine Schicht Fliesenkleberpulver und darauf wurden die Fliesen ohne Fugen verlegt.  Damit die Feuchtigkeit die ins Gemäuer zieht nicht sofort ein Zerieseln der Wände verursachte, wurden auf beide Seiten mit Beton verputzt, den man mit wasserunlöslicher Farbe strich. Noch heute sieht man in vielen Orten die abgeplatzten Fassaden aus denen die Sandsteine bröseln.
Schmal und lang bedeutet auch dunkel. Nach vorne zur Strasse ist ein Zimmer- traditionell ein Schlafzimmer- daneben der Flur. Von dort aus kommt man in eine Art Wohnzimmer, welches in das Eßzimmer übergeht. Dann eine Wand mit einer Tür zur Küche. Diese war vom Vorbesitzer schon vor Jahren angebaut und lag hinter der ehemaligen Aussenmauer. Sie besaß ein dunkel getöntes Fenster zum Patio und einer Tür zu einem Durchgang, dahinter als letzten Raum ein kleines Bad. Auf der Länge von 22m haben wir als Lichtquelle also nur die Haustür, die hinter den Persianern liegt und ein kleines Fenster in der Küche, durch das nur das Tageslicht ein wenig auch das Eßzimmer erhellte, wenn die Persianer und die Küchentür offen standen.
Ich wundere mich immer noch, wie die Einheimischen so im Dunkeln leben. Die Erklärung, dass durch die Blendläden die Wärme abgehalten wird, befriedigt mich nicht wirklich. Auch auf Mallorca ist es nur wenige Monate so heiß, aber die Persianer sind das ganze Jahr geschlossen.
Auch wenn wir nicht zu renovieren brauchten, in dieser Dunkelheit wollten wir nicht unsere Tage verbringen. Als erstes kam soviel wie möglich von der Wand zwischen Küche und Eßzimmer weg. Übrig blieb eine niedrige Abtrennung. Etwas später hauten wir das Küchenfenster und gleich die ganze Wand weg. Bei einer einheimischen Firma bestellten wir uns eine zweiflügelige Glastür die so breit wie die ehemalige Wand wurde. Beim Ausmessen erklärten wir gleich, dass die Tür nach aussen aufgehen sollte, damit der Innenraum großzügiger wirkt. Der Hinweis war zwar gut gemeint, aber als die Tür eingebaut war, stellten wir fest, dass die Regenablaufrinne innen angebracht war.
Jetzt war es schonwesentlich heller, vorallem Morgens und Vormittags scheint die Sonne bis ins Eßzimmer.
Die nächste große Aktion die unbedingt sein musste, war die Isolierung des Fußbodens. Bis wir soweit waren konnten wir schön sehen, wie das Haus lebte. Im Sommer hatten wir immer einen wellenförmigen Boden, da sich die Fliesen durch Erdbewegung und Feuchtigkeit hoben.
Da wir nicht das Haus abstützen wollten, um auch die Mauern zum Nachbarhaus zu isolieren, haben wir mit Löffeln vorsichtig Stück für Stück die Erde unter den Wänden abgetragen, Teerpappe untergelegt und dann mit Beton aufgefüllt. Sobald ein Stück trocken war, kam der nächste Meter an die Reihe.
Von der Küche bis zum vorderen Hausflur schaufeltenen wir auf etwa einen Meter Tiefe den lehmigen Boden Schubkarre um Schubkarre aus dem Haus. Kies, Isolierung, Beton -auch Schubkarre um Schubkarre ausgebracht- und schliesslich der Bodenbelag  sorgen bis heute für ein trockenes und gut temperiertes Haus.
Wenn ich heute die Fotos von den Renovierungen sehe, fällt mir auf, daß wir im Laufe der Jahre doch viel verändert haben; Holzvertäfelung weg, Säulen freigelegt, Heizung reinstalliert, Glasscheiben in Innenwände eingebaut um mehr Licht zu bekommen. Einiges haben wir ziemlich bald gemacht, anderes -wie die Renovierung des Hauptbades- erst vor ein paar Jahren.

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