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Richtungswechsel - Beziehung

Nach vier Semestern machte ich mein Vordiplom. Physik und Chemie waren ebenso Prüfungsfächer wie Anatomie und Physiologie. Bei den Fachausdrücken half mir meine Ausbildung zur Krankenschwester. Gelernt haben wir in kleinen Gruppen, die sich fast alle schon im ersten Semester gebildet hatten. Manchmal fuhren wir dazu für ein verlängertes Wochenende nach Holland und mieteten ein kleines Ferienhäuschen. 

Endlich waren die Wintersemesterferien, oder wie es offiziell hieß, Vorlesungsfreie Zeit, was für uns aber dasselbe war. Ich verbrachte die Tage bei meinem Freund auf dem Land.

Weihnachten war vorbei, wir waren einen Nachmittag bei meinen Eltern, die inzwischen ihr ruhiges leben genossen. Alle Geschwister waren ausgezogen und verbrachten wie wir die Feiertage nur Stundenweise in Niederkassel.

Silvester hatten wir nichts geplant und blieben diesmal ohne Freunde und Feiern zu hause.

Wir saßen beim Abendessen und ich fragte Peter, ob etwas sei, er wirke so bedrückt. Da quoll es aus ihm heraus, dass er schon lange unglücklich sei und sich eigentlich trennen wollte. Wenn ich nicht gefragt hätte, wäre er vielleicht eines Tages einfach weg geblieben. 

Sprachlos saß ich vor meinem Teller. Ich hatte mit einigem oder mit nichts gerechnet, aber nicht mit dieser Mitteilung. Vom Rest des Abends habe ich nur noch in Erinnerung, dass ich heulend vor dem Fernseher saß und "Dinner for one" geschaut habe. Als wäre es der einzige Halt, die einzige Sicherheit die mir in dem Moment blieb als ich aus meinem alten Leben herausgeschleudert wurde.

Anschließend habe ich mich wohl in den Schlaf geweint. Am nächsten Morgen hatten wir eigentlich nur noch ein kurzes Gespräch. Ich fragte, ob es eine endgültige Trennung wäre und Peter sagte ja, er wollte meinen Lebensplänen nicht im Wege stehen. Und dass es für ihn schon seit über einem Jahr nicht mehr in Ordnung wäre.

Das hat mich damals am meisten getroffen. Seit mehr als einem Jahr. Ich bin immer wieder Situationen durchgegangen, in denen wir eine "schöne Zeit" hatten, und habe nicht mehr gewusst, was war echt und was nicht. Und wir haben über nichts geredet. Letztendlich war dieses Schweigen aber auch für mich der Ausschlag, sofort mit der Trennung einverstanden zu sein. Der zweite Gedanken war, ich muss das für mich klären, aber ich muss nichts mehr mit ihm klären.

Eine knappe Woche später holte Peter zusammen mit einem Freund seine Möbel und persönlichen Sachen aus der Wohnung in Bonn und brachte mir meine Sachen aus dem Landhaus.

Während der Beziehung habe ich öfter mal gedacht wenn einer geht, dann bin ich das. Nun war ich am Boden zerstört. Ich konnte gar nichts dagegen machen. Nicht mehr essen, nicht mehr schlafen. Zu weinen habe ich mich Anfangs selten getraut, weil ich dachte, wenn ich einmal damit anfange, höre ich nie wieder auf. Stattdessen habe ich mich abgelenkt, Freunde angerufen, in die Stadt gefahren, die WG unter mir besucht. 

Nach einer Woche merkte ich, das funktioniert so nicht, ich muss ganz raus.Dieses nicht leben und nicht sterben können hat mich fertig gemacht. Ich fuhr mit dem Bus nach Niederkassel und habe mich in meinem Elternhaus verkrochen. Über fünfzehn Jahre wohnte ich schon nicht mehr "Zuhause", und jetzt ließ ich mich von meinen Eltern wie ein kleines Kind versorgen. 

Noch Jahre später habe ich mich immer wieder gewundert, warum mich dieser Trennungsschmerz mit solcher Wucht getroffen hat. Während der Beziehung habe ich mich Peter selten richtig nahe gefühlt. Er war der ruhende Pol in meinem Leben. Oft zu "ruhend", bzw. zu ruhig. Ich war manchmal eifersüchtig, wenn wir auf einem Fest oder ähnlichem waren, und ich sah, wie Peter sich mit jemand anderem angeregt unterhielt. Wir haben uns fast nie angeregt unterhalten.

Allmählich ging es mir besser. Ein- bis zweimal pro Woche traf ich mich mit einer Psychologin die ich zunächst aus eigener Tasche bezahlte, weil ich nicht wochenlang warten wollte, bis ein Kassentherapeut einen freien Termin hatte. Meine Freunde mochte ich mit meinem Kummer nicht Dauerbelasten und Ratschläge nicht annehmen.

Kurz vor Semesterbeginn ging ich zu meinem Professor um ihm zu sagen, dass ich noch nicht weiter studieren könnte, weil es mir zu schlecht ging. Er war sehr lieb und verständnisvoll, und riet mir dazu, es wenigstens zu probieren, die Ablenkung würde mir sicher gut tun.

So war es dann auch, und ich war heilfroh auf ihn gehört zu haben. Die Arbeitsgruppe hat mich liebevoll aufgefangen und wann immer nötig getröstet. Hier bekam ich dann auch den entscheidenden Tipp-oder Kick- für den nächsten Richtungswechsel.

Wir mussten im Hauptstudium einige mindestens sechs Wochen dauernde Kurse aus verschiedenen Fachrichtungen belegen. In einem dieser Kurse lernte ich eine Mitstudentin kennen, die gerade aus Australien kam, wo sie fast ein Semester verbracht hatte.

Ich wollte schon immer mal nach Spanien.

Das war eine gute Gelegenheit. Ich war frei und unabhängig, brauchte auf niemanden Rücksicht zu nehmen.

Ich sprach mit meinem Zoologikprofessor und bekam die Möglichkeit, zwei dieser Kurse in Spanien zu absolvieren.

Nun hatte ich eine Aufgabe und ein konkretes Ziel. Ein Jahr nach der Trennung begab ich mich auf die Reise die mein Leben in eine völlig neue Richtung brachte.