· 

Internatszeit - das erste Jahr

Nach dem erfolgreichen Abschluß der Hauptschule besuchte ich für zwei Jahre ein Internat in Bonn. Damals wurde der Ortsteil noch mit angegeben- Bad Godesberg, später gab es nur die Postleitzahl. Auf meinem Zeugnis steht: Staatlich anerkannte Berufsfachschule, Private zweijährige Pflegevorschule der Evangelischen Frauenhilfe im Rheinland e.V.

Bei den seltenen Anrufen die damals auf dem Wandtelefon im Flur eingingen, meldeten wir uns gerne mit dieser Ansage. "Evangelischefrauenhilfsdiakonieschwesternschaftimrheinlandev wen möchten Sie sprechen?" Dann war erstmal Stille am anderen Ende der Leitung.

Zweijährig bedeutete, wir hatten einen Unterkurs und einen Oberkurs. Internat bedeutete, die Mädchen kamen aus vielen Gegenden von Deutschland und fuhren oft nur einmal im Monat nach Hause.

Ich wohnte nur gut 30km entfernt, und wurde jeden Samstagmittag abgeholt. Da mein Vater während dieser Zeit im Rathaus in Bad Godesberg arbeitete (in Bonn wurde das neue Stadthaus gebaut mit Großraumbüro), konnte er mich am Montagmorgen vor seinem Arbeitsbeginn zurück bringen.

Pro Kurs waren wir etwa 20 Schülerinnen. Morgens hatten wir entweder Hauswirtschaft oder Schule, nachmittags nur Schule.

Die Hauswirtschaft war wiederum in drei Bereiche unterteilt: Kochen, Internat putzen oder nebenan im Altenheim putzen. Wir haben uns selber versorgt, und durch das Putzen waren die Internatskosten sehr niedrig, 100 DM monatlich.

Die eine Putzgruppe musste also alle Räume des Internates saubermachen, einschließlich des Zimmers der Direktorin. Die anderen putzten die Zimmer und Flure im Altenheim.

Damals gab es zum Bodenputzen einen Eimer mit Wasser, Schmierseife und einen "Feudel"- das war ein etwa Geschirrtuchgroßer grauer, grobgewebter Lappen. Erst wurde der Boden mit Schmierseife  und Schrubber gescheuert. Danach tauchte man den Feudel in das Wasser, wrang ihn aus und wickelte ihn um den Schrubber und wischte- oder wie ich gelernt habe "feudelte" den Boden.  Je nachdem wie großzügig  vorher die Schmierseife aufgetragen war, musste man diese Prozedur oft wiederholen.

Ein Lehrsatz hieß: Es gibt keine runden Ecken! Also mussten wir nach dem auswringen den Lappen auf den Boden legen, den Zeigefinger damit umwickeln, und damit durch die Ecken gehen.

Die Küchengruppe musste die Mahlzeiten vorbereiten, kochen servieren, abräumen, spülen und die Küche blitzblank putzen. Im Unterkurs waren wir drei Mal in der Woche dran, im Oberkurs zwei Mal.

Zum Frühstück gab es für jeden ein Brötchen, danach Graubrot mit Marmelade. Gegen 10.00 Uhr das zweite Frühstück. Es bestand aus dem übrig gebliebenen Essen vom Vortag, oder aus einem Glas Buttermilch. Das Mittagessen gegen 13.00 Uhr hatte außer dem Hauptgang immer einen Nachtisch. Wir mussten schließlich alles lernen. Nachmittags gabe es Brot oder zweimal in der Woche Kuchen. Abends noch einmal warmes Essen und danach Brot- Aufschnitt war teuer, also sollten wir uns vorher an dem warmen Essen sattessen.

Ich explodierte förmlich. Als Kind und bis dahin eher sehr dünn, nahm ich innerhalb von zwei Monaten über 10kg zu.

 

Früher war alles anders, und die Internatszeit unterschied sich von meinen eher romantischen Vorstellungen sehr. Wir waren nur Mädchen, und sowohl die Heimleiterin als auch die Hauswirtschaftein waren zwei ältliche, graue, alleinstehende Frauen.

Mit 15-17 Jahren noch voll in der Pupertät und auf Rebellion aus, mussten wir z.B. damit klar kommen, daß die Zimmer alle Glasscheiben über der Tür hatten, und die Hauswirtschaftsleiterin, die mit auf unserem Flur wohnte, auf einen Blick sehen konnte, ob um 21.30 Uhr das Licht aus war.

Gegen die zweite große Einschränkung haben wir uns halbwegs erfolgreich gewehrt. Eigentlich war nur das Tragen von Röcken oder Kleidern erlaubt. Nach langen Kämpfen haben wir erreicht, daß wir in unserer Freizeit Hosen anziehen durften. Es war ein blödsinniges An-und Umziehen, den Freizeit war nur nach dem Mittagessen bis 15.00 Uhr und nach dem Abendessen bis zur Schlafenszeit.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0