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Unter Indianern

Winnetou

Mit zwölf, dreizehn Jahren bin ich abends gerne freiwillig ins Bett gegangen. Schon damals brauchte ich immer sehr lange bis ich wirklich einschlief. Diese Zeit nutzte ich zum träumen.

Mein Lieblingstraum und überhaupt der einzige den ich über Monate träumte war ein Indianertraum.

Den ersten Kinofilm meines Lebens habe ich mit etwa acht Jahren zusammen mit meinen beiden Brüdern in der Dorfgaststätte in Niederkassel geschaut. Auf der Bühne des Feiersaals war die Leinwand aufgebaut. Unten saßen wir in Reihen auf den Holzstühlen der Kneipe. Soweit ich mich erinnere, waren alle Kinder genau wie wir ohne ihre Eltern dort. Gezeigt wurde nicht etwa ein süßer Tierfilm oder ein Walt Disney Trickfilm sondern Winnetou.

Oh es war so spannend und schaurig und schön. Winnetou hat sofort mein Herz erobert. So tapfer und mutig hat er sein Volk verteidigt. ich bewunderte ihn. Aber auch Old Shatterhand war ein edler Held.Die Indianerdörfer, die Kleider aus Leder mit den langen Fransen, die langen schwarzen Haare mit den gestickten Stirnbändern, die Hunde und Indianerpferde..... ich war völlig hin und weg.

Eine Szene ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben: Winnetou muss sein Volk in Sicherheit bringen und schickt Frauen, Kinder und die Alten in eine Höhle. Seine Freundin Ribanna führt sie tief in die Dunkelheit.Alle verstecken sich im oberen Teil der großen Höhle hinter Felsvorsprüngen und auf schmalen Absätzen.

Einige der Cowboys finden die Höhle Im Schritttempo reiten sie ganz ruhig und schauen aufmerksam an den Wänden entlang. Durch die Dunkelheit können sie aber nichts entdecken. Als sie schon fast wieder draußen sind, fängt ein Säugling an zu weinen und verrät so die Gruppe. Natürlich werden fast alle durch Winnetou und Old Shatterhand gerettet.

Mit meinen Träumereien um Winnetou begann ich mit etwa zwölf Jahren.Es waren Tagträume, auch wenn ich sie abends vor dem Einschlafen hatte. Ich träumte in "Fortsetzungen", obgleich sich die Handlungen sehr ähnelten und die Sequenzen  kurz waren.

Es begann damit, dass ich mit meinen Eltern in Amerika war. Manchmal nahm ich auch meinen jüngeren Bruder mit.

Das war immer der schwierigste Teil in meiner Vorstellung. Um bei den Indianern leben zu können, mussten ja meine Eltern verschwinden. Sie sterben zu lassen fiel mir nicht leicht, aber anders ging es nicht. Deshalb kamen sie zusammen bei einem Autounfall ums Leben.

Zufällig war dann da wo ich -in großer Trauer und ganz auf mich selbst gestellt war- auch Winnetou. Er bemerkte, dass ich nun mutterseelenallein war und fragte mich, ob ich mit ihm zu seinem Volk kommen wolle. ich könne in seinem Dorf leben, und er würde für mich sorgen.

Natürlich bin ich sofort mit ihm in die Prärie geritten. Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir das Zeltdorf. Alles war so wie ich es aus dem Film in Erinnerung hatte, kleine Tippis, Frauen und Kinder mit dicken dunklen Zöpfen, Stirnbändern und die tollen bestickten Kleider. Die Männer trugen ihre langen Haare offen und hatte eine oder mehrere Federn darin befestigt.

Viel Handlung fand in meinen Träumen nicht statt, aber ich lebte bei Winnetou im Zelt und verbrachte meine Zeit mit Reiten, Bogenschießen und mit Streifzügen durch die Prärie. Winnetou existierte real für mich. Er war in diesen Träumen mein Ersatzvater. Als Mann meiner Träume habe ich ihn nie gesehen, dafür war er mir viel zu alt. Ich liebte mehr dieses warme Gefühl, eine Traumfamilie zu haben. Winnetou hat mich immer verstanden, mir aufmerksam zugehört mich ernst genommen und mich nie kritisiert. Alles passte und gehörte genau so. Es war eine harmonische und verständnisvolle Atmosphäre.

 

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